Die 25 Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Gerichte in Ostdeutschland sind auch fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ausschließlich Westdeutsche. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" (Mittwochausgaben). Danach sind die Präsidenten der Oberlandesgerichte, der Oberverwaltungsgerichte, der Landesarbeits- und der Landessozialgerichte sowie der Finanzgerichte durchweg erst nach 1990 von Westdeutschland nach Ostdeutschland gekommen.
Es handelt sich um 18 Männer und sieben Frauen. Dabei sind einige Posten erst in den vergangenen Jahren neu besetzt worden. In Mecklenburg-Vorpommern wird gerade ein Präsident für das Oberlandesgericht gesucht. Doch auch hier ist nach RND-Informationen nicht zu erwarten, dass ein Ostdeutscher das Rennen macht. Auf den kürzlich ausgeschiedenen bisherigen Präsidenten Burkhard Thiele, der aus Hamburg stammt, sollte die in Dortmund geborene Monika Köster-Flachsmeyer folgen. Dagegen geht ein Mitbewerber juristisch vor - er kommt aus Lübeck. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, sagte dem RND: "Die Ursachen für die Unterrepräsentanz von Ostdeutschen in gesellschaftlichen Führungspositionen liegen lange zurück. Gerade an den obersten Gerichten ist dieser beklagenswerte Mangel offensichtlich, da für solche Spitzenpositionen neben einer langjährigen Ausbildung auch eine lange Berufserfahrung nötig ist und das Justizsystem in Ostdeutschland in den 1990ern komplett neu aufgebaut werden musste." Göring-Eckardt fügte hinzu: "Die Erklärung für heute darf aber keine Ausrede für morgen sein. Auch im allgemeinen Justizdienst sind Ostdeutsche unterrepräsentiert." Linksparteichefin Katja Kipping monierte, "dass sich auch 29 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch eine unsichtbare Mauer der Ungerechtigkeit durch das Land zieht. Diese Benachteiligung Ostdeutschlands ist nicht hinnehmbar." Dabei gehe es nicht nur um Fehler in der Vergangenheit, die inzwischen abgestellt wurden: "Sondern es geht munter weiter so." Der Soziologe Raj Kollmorgen von der Hochschule Zittau-Görlitz sagte dem RND, dass Ostdeutsche bei der Besetzung der Präsidenten-Posten bis heute "keine Chance erhalten, obwohl sie seit 20 Jahren im Geschäft" seien, sei "sachlich nicht mehr zu rechtfertigen" - auch wenn es dafür Gründe gebe. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte dem RND, in den neuen Ländern werde sich die schon jetzt angespannte Personalsituation "durch eine große Pensionierungswelle bis 2030 deutlich verschärfen". Die Gerichte und Staatsanwaltschaften würden hier bald fast zwei Drittel aller Juristen verlieren. "Nachwuchs aus den westdeutschen Ländern dürfte nicht leicht zu werben sein, denn die Justiz muss bundesweit im nächsten Jahrzehnt etwa 40 Prozent aller Richter und Staatsanwälte ersetzen". Darum gelte es, "gerade in den ostdeutschen Ländern mehr Geld in die Hand zu nehmen, um ausreichend gut qualifizierte Nachwuchsjuristen zu gewinnen".