SPD-Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles will mehr Ehrlichkeit und Realismus in der Migrationspolitik. "Wir haben bei der Integration noch eine Menge zu tun", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe). "Wir müssen die Probleme klarer benennen, ohne die Flüchtlinge und die Einheimischen gegeneinander aufzuwiegeln oder die Gesellschaft zu spalten."
Der Fraktionschefin zufolge hapere es vor allem bei der Kontrolle und Steuerung der Einwanderung. Im Zuge dessen kündigte Nahles an, dass die SPD dem Bundestag "rasch" einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vorlegen wolle. Der Entwurf soll bereits kommenden Dienstag von ihrer Fraktion beschlossen werden. "Bisher wählen viele das Asylrecht, die aber gar nicht politisch verfolgt sind, sondern bei uns arbeiten wollen. Damit überlasten sie einerseits die Asylverfahren und andererseits werden sie dann unweigerlich wieder weggeschickt - obwohl wir sie durchaus hier brauchen könnten. In Zeiten des Fachkräftemangels würde uns ein Gesetz helfen, das Einwanderern klare und transparente Wege zu uns ermöglicht, wenn sie Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung bereits mitbringen", begründete Nahles den Vorstoß. Gleichzeitig sprach sie sich für einen Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz aus - dieser sei ein "enormer Integrationsanreiz". Die bisherigen Sondierungen für eine Jamaika-Koalition sind der SPD-Fraktionschefin zufolge von Orientierungslosigkeit geprägt: "Das Ganze wirkt wie eine Kreuzfahrt ohne Ziel. Die Jamaikaner schippern ohne Kompass auf der See, kreuzen dieses und jenes Thema, aber wissen nicht, wo sie Anker werfen wollen", sagte Nahles. Die Grundsatzfragen seien auch sechs Wochen nach der Wahl alle noch offen. Dennoch rechne sie mit einer Einigung von Union, FDP und Grünen noch vor Weihnachten. Im Falle eines Scheiterns von Jamaika stehe die SPD weiterhin nicht für Gespräche über eine Große Koalition zur Verfügung, so Nahles. "Die SPD ist keine Mehrheitsreserve im Wartestand." Die historische Schlappe ihrer Partei bei der Bundestagswahl sei vor allem darin begründet gewesen, dass man die Wähler emotional nicht erreicht habe, analysierte Nahles. "Wir brauchen wieder Leidenschaft für unsere Politik, daran fehlt es", so die Politikerin, die ihrer Partei ein "sehr schwaches Profil" attestierte. "Die Sehnsucht und der Appell an das sozialdemokratische `Wir` reichen in der modernen Gesellschaft nicht mehr aus. Eine Antwort darauf zu finden, ist für uns als Volkspartei überlebensnotwendig." Eine Erneuerung der SPD sei daher unumgänglich.