Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, hat eine Aufarbeitung der Privatisierung der DDR-Staatswirtschaft gefordert. "Gegen Verschwörungstheorien aller Art helfen nur Transparenz, Aufrichtigkeit und das Eingeständnis von Fehlern", sagte Gleicke dem "Spiegel" (Donnerstagsausgabe). In einem bislang unveröffentlichten Bericht haben Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum für Gleicke die "Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt" untersucht, so das Magazin.
Als "dominantes Erzählszenario" haben die Forscher "die Vorstellung einer radikalen und unkontrollierten Abwicklung beziehungsweise Entwertung der DDR" und ihrer volkseigenen Betriebe identifiziert. Zeitzeugen haben in dem Bericht die Arbeit der Treuhand häufig mit Begriffen wie "Abwicklung", "Ausverkauf" und "Betrug" verbunden. In der Wahrnehmung vieler Ostdeutscher sei die Treuhand ein "negativer Gründungsmythos der Berliner Republik", schreiben die Autoren. Sie erscheine als das Symbol einer "schockartigen Überwältigung des Ostens durch den Westen". Die Politik müsse die Transformationsphase in Ostdeutschland schleunigst aufarbeiten, sagen die Bochumer Wissenschaftler: "Ansonsten wird sich die Mythenbildung vor allem im Osten verfestigen, und die Traumata aus der Nachwendezeit werden unbewältigt bleiben." Die Treuhand hatte bis 1994 den Auftrag, Volkseigene Betriebe und Kombinate der DDR zu verkaufen, zu sanieren oder zu schließen. Dabei gingen Millionen Arbeitsplätze verloren.