Die Entdeckerin der Crispr/Cas9-Methode, Emmanuelle Charpentier, hat gelassen auf das Gentechnik-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) am Mittwoch reagiert. "Ich kann mir vorstellen, dass die Entscheidung des EuGHs unter Wissenschaftlern und in der Biotech-Branche mit einer gewissen Enttäuschung aufgenommen wurde. Ich glaube aber nicht, dass das Urteil auf die Forschung mit Crispr im Allgemeinen eine bedeutende Auswirkung haben wird", sagte Charpentier "Zeit-Online".
Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass Pflanzen, die mit modernen biotechnischen Methoden wie Crispr entstanden sind, als genetisch veränderte Organismen (GVO) gelten. Damit fallen sie unter die GVO-Richtlinie 2001/18EG, die aufwendige Risikoprüfungen für gentechnisch veränderte Organismen vorsieht. "In anderen Regionen, in denen die Regularien weniger streng sind - etwa in den USA oder in Asien - werden die Anwendungen aber trotzdem weiterentwickelt", sagte Charpentier. An ihrer praktischen Forschung in Berlin, wo sie seit drei Jahren als Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie forscht, werde das Urteil kaum etwas ändern. "Ich konzentriere mich ja sowieso auf die Grundlagenforschung, das wird auch in Zukunft so bleiben. Das neue Institut, das ich gerade aufbaue, wird weiterhin grundlegende Prozesse von Infektion und Immunität untersuchen, in Bakterien, aber auch in Viren", sagte Charpentier. Die 1968 in Juvisy-sur-Orge, südlich von Paris, geborene Mikrobiologin wurde nach dem Studium an der Universität Pierre et Marie Curie (UPMC), der Promotion am Institut Pasteur und Stationen in Schweden, Österreich sowie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig 2015 als Direktorin ans Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin berufen. 2011 hatte Emmanuelle Charpentier erste bahnbrechende Grundlagen zur Crispr/Cas9-Methode im Magazin "Nature" veröffentlicht, mit denen sie eine Genschere entwickelte. Damit lässt sich einfach, günstig und präzise Erbgut zerschneiden und verändern. Ein Jahr später erschien in Zusammenarbeit mit der US-Forscherin Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley die zweite bedeutende Arbeit zu Crispr in "Science". Derzeit läuft vor US-Gerichten ein Patentstreit von Charpentier und Doudna gegen eine Arbeitsgruppe um Feng Zhang vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Schon heute ist die Methode das meistgenutzte Gentechnik-Werkzeug der Welt.