Vor der Abstimmung über ein Präsidialsystem in der Türkei mehren sich die Stimmen, die der Regierung in Ankara politische Einflussnahme und Einschüchterungen von Türken in Deutschland vorwerfen: "Auch hier lebende Türken haben mittlerweile Angst, sich in Medien frei zu äußern, da sie Konsequenzen bis hin zu Verhaftungen für sich selbst bei Türkeireisen oder auch für Familienangehörige in der Türkei fürchten", sagte Kazim Kaya, der Deutschlandsprecher der türkischen Sozialdemokraten (CHP), der "Heilbronner Stimme" (Dienstag). "Die jetzige Regierung nutzt ihre Staatsmacht aus und macht Wahlkampf für eine Zustimmung zum Präsidialsystem über die Moscheeverbände, Botschaften und wirtschaftlichen Verbände", klagte Kaya. Selbst in Deutschland sei so ein fairer Wahlkampf nicht möglich.
Die CHP ist in Deutschland nach dem Vereinsrecht organisiert und versteht sich nach eigenen Angaben als Hauptansprechpartner des CHP-Vorstandes in Ankara für alle politischen Themen, die für Türken in Deutschland von Bedeutung sind. In der Türkei ist die CHP die stärkste Oppositionspartei. Auch der liberale Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi kritisierte, Ankara betreibe politische Beeinflussung über den türkischen Moscheeverband Ditib. "Dass sie nicht politisch neutral sind, wie sie versprechen, wissen wir genau", sagte Ourghi der "Heilbronner Stimme". "In den Moscheen werben die Import-Imame aktiv für die Verfassungsreform", sagte Ourghi. Das sei ein offenes Geheimnis. Auch vor der Parlamentswahl hätte Ditib Busse zu Auftritten von Politikern der Regierungspartei AKP organisiert. "Die Beeinflussung findet nicht öffentlich statt, sondern diskret - zum Beispiel beim Freitagsgebet." Für Ourghi ist dieser Einfluss ein wesentlicher Grund für die Stärke der AKP in Deutschland.