Studie: Erwerbsarmut wächst rasant

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Studie: Erwerbsarmut wächst rasant

06.07.2017 - 01:00 Uhr

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über dts Nachrichtenagentur

Die Zahl berufstätiger Menschen in Deutschland, die trotz ihrer Arbeit unter die Armutsschwelle fallen, hat sich zwischen 2004 und 2014 mehr als verdoppelt. Damit stieg die Erwerbsarmut in der Bundesrepublik stärker an als in jedem anderen EU-Land, berichtet die "Berliner Zeitung" (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. So lag der Anteil der 18- bis 64-Jährigen erwerbstätigen Inländer, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hatten und damit als arm gelten, noch bei 4,8 Prozent.

Zehn Jahre darauf waren es 9,6 Prozent. In absoluten Zahlen fällt das Plus noch deutlicher aus, weil die Gesamtzahl der Erwerbstätigen von 39,3 auf 42,6 Millionen anstieg. Daraus ergeben sich für 2004 knapp 1,9 Millionen arbeitende Arme, für 2014 fast 4,1 Millionen. "Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Beschäftigungswachstum und Armut komplizierter als gemeinhin angenommen", stellen die Studienautoren Dorothee Spannagel, Daniel Seikel, Karin Schulze und Helge Baumann fest. Mehr Arbeit sei offenbar keine Garantie für weniger Armut. Der Beschäftigungsaufwuchs in Deutschland beruhe zu einem großen Teil auf dem Anwachsen der Teilzeitstellen, anderer atypischer Beschäftigungsverhältnisse sowie des Niedriglohnsektors insgesamt. Eine wichtige Rolle spielt laut Studie dabei der gestiegene Druck auf Arbeitslose, jede ihnen angebotene Stelle anzunehmen. "Maßnahmen, die Arbeitslose dazu zwingen, Jobs mit schlechter Bezahlung oder niedrigerem Stundenumfang anzunehmen, können dazu führen, dass Erwerbsarmut steigt, weil aus arbeitslosen armen Haushalten erwerbstätige arme Haushalte werden", heißt es in der Studie. Anhand von Modellrechnungen zeigen die Forscher, dass strenge Zumutbarkeitsregeln, Auflagen für den Leistungsbezug und Sanktionen das Risiko der Erwerbsarmut deutlich steigen lassen. Eine gegenteilige Wirkung stellen die Wissenschaftler für Förderprogramme mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten fest. Auch höhere Transfer- und Lohnersatzleistungen wirken der Studie zufolge der Erwerbsarmut entgegen. Daraus ergibt sich eine zweiteilige Faustformel: Je höher die Ausgaben für eine aktive Arbeitsmarktpolitik sind, desto deutlicher sinkt das Erwerbsarmutsrisiko; je stärker der Druck auf die Arbeitsuchenden, desto kräftiger steigt es. Kurz: Das Fördern nützt, das Fordern nicht.

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Kommentare zu "Studie: Erwerbsarmut wächst rasant"

Insgesamt 6 Kommentare vorhanden


Kommentar von PurpleColumbine
06.07.2017 18:27 Uhr

Das darf und das kann nicht sein, daß ein Mensch, der arbeitet nicht in der Lage ist, mit dem Verdienst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist Deutschland. Mittlerweile.

Kommentar von GoldSaver
06.07.2017 16:04 Uhr

Das ist doch absolut kein Wunder, die Kosten steigen und steigen, aber verdienen tut man nicht mehr.

Ist doch klar, das sehr viele Menschen, es dann nicht merh packen.

Kommentar von Rosnee1
06.07.2017 12:44 Uhr

Die Aussage von Helmut Schmidt: "Besenstiele lässt man billiger in China
herstellen", gilt heute nicht mehr. Wir brauchen auch Arbeit für weniger
qualifizierte Arbeitskräfte.

Kommentar von Rosnee1
06.07.2017 12:41 Uhr

Kein Wunder, dass die Kriminalität immer mehr zunimmt.
Hunderttausende fühlen sich mittlerweile aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Also investiert in Bürger und spart dann bei den Sicherheitskosten.

Kommentar von Rosnee1
06.07.2017 12:38 Uhr

Umverteilung ist das Zauberwort. Aber es gibt bei uns politische Parteien,
die Ihrer Klientel (Unternehmern und Unternehmen) Ihren rasanten Vermögenszuwachs nicht einschränken wollen. Der Stundenlohn muss sich
mindestens mit 10 % über dem Existenzminimum bewegen.
Wer arbeitet soll sich auch etwas Gönnen dürfen.

Kommentar von Spongebob
06.07.2017 10:36 Uhr

Echt traurig diese Veränderung in diesem Land mit anzusehen. Vor einigen Jahren konnte sich Deutschland noch mit siner Mittelschicht brüsten jedoch ist festzustellen, dass die Kluft zwischen Armut und Reichtum immer größer wird.