Verdi-Chef Frank Bsirske warnt die Jamaika-Unterhändler davor, die Investitionsspielräume einer künftigen Bundesregierung zu sehr einzuengen. "Die Soli-Abschaffung, die ja die FDP fordert, wäre fatal, weil sie einer Jamaika-Koalition finanzielle Handlungsmöglichkeiten rauben würde", sagte Bsirske dem "Handelsblatt". Zudem wäre die Verteilungswirkung hochproblematisch, weil vor allem Besserverdiener entlastet würden.
"Die Abschaffung des Soli ist daher nur sinnvoll, wenn die künftige Regierung eine Klientelpolitik für die reichsten Bundesbürger plant", sagte der Verdi-Chef. Er nehme erfreut zur Kenntnis, dass Union, FDP und Grüne sich beim dringenden Investitionsbedarf weitgehend einig seien. Der Hochschulpakt, das Digitalisierungspaket, Verbesserungen bei der Pflege oder der Erwerbsminderungsrente stünden aber diametral im Widerspruch zu den finanzpolitischen Vorstellungen einiger dieser Parteien. Zusätzlichen Finanzspielraum könnte sich die künftige Bundesregierung aus Bsirskes Sicht erarbeiten, wenn sie entschieden gegen die Steuervermeidung internationaler Konzerne vorginge. "Mit einer Quellensteuer auf alle Zahlungen – von Zinsen über Mieten bis hin zu Lizenzgebühren – könnte die Bundesregierung solchen Praktiken im Alleingang einen Riegel vorschieben", sagte der Gewerkschafter. Den Verkauf von Telekom-Anteilen des Bundes zur Finanzierung des Breitband-Ausbaus lehnt er dagegen ab: "Es wäre ordnungspolitisch äußerst fragwürdig, jetzt öffentliches Eigentum zu verkaufen, um dann privates Eigentum zu finanzieren", sagte der Verdi-Chef. "Warum sollte der Bund auf 800 bis 900 Millionen Euro Dividenden pro Jahr und seinen Einfluss auf Investitionsentscheidungen verzichten?"