Die deutsche Justiz führt kaum Verfahren gegen dschihadistische Frauen, die nach Syrien und in den Irak ausgereist sind. "Der Anteil der Frauen bei unseren Terrorismusverfahren ist verschwindend gering", sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe der "Welt" (Freitagsausgabe). Die Behörde hat seit Jahresbeginn mehr als 800 neue Verfahren gegen islamistische Terroristen und deren Helfer eingeleitet.
Aktivitäten der Islamistinnen vor Ort gelten nach Auffassung der Justizbehörden oft nicht als "konkrete Terrorunterstützung", wie die Zeitung unter Berufung auf Justizkreise berichtet. Demnach liegen gegen viele Frauen, die sich der Terrormiliz IS in Syrien oder dem Irak angeschlossen haben sollen, wenige Beweise für eine tatsächliche Mitgliedschaft vor. Zudem würden die Aktivitäten der Dschihadistinnen, etwa Haushaltsarbeiten oder die Versorgung von Kindern, oftmals nicht als Terrorunterstützung gewertet. "Frauen spielen im dschihadistischen Kontext eine bedeutende und oft unterschätzte Rolle", warnte hingegen der Leiter des Bremer Landeskriminalamtes (LKA), Daniel Heinke. Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation wie dem IS gehe "erheblich über die eigentlichen Kampfhandlungen hinaus, und umfasst auch sonstige Unterstützungshandlungen", sagte Heinke. "Die Frau nur als schwaches, passives und leicht verführbares Wesen zu sehen, ist Ausdruck eines patriarchalischen Gesellschaftsverständnisses, das der Realität nicht gerecht wird." Nach Angaben des Verfassungsschutzes ist ein Fünftel der bislang rund 950 Dschihadisten, die in den vergangenen Jahren in die Kriegsgebiete ausgereist sind, weiblich. Auch unter den rund 300 zurückgekehrten Extremisten sollen sich zahlreiche Frauen befinden. Mehrere deutsche Islamistinnen, darunter die 17 Jahre alte Linda W. aus Sachsen, befinden sich zudem derzeit im Irak oder Syrien in Gefangenschaft.
03.11.2017 09:33 Uhr